Darm in Gefahr - wie unsere Ernährung den Darm beeinflusst
Intestinal Flora

Darm in Gefahr - wie unsere Ernährung den Darm beeinflusst

Sarah Ammerahl
29. September 2022
Darm in Gefahr - wie unsere Ernährung den Darm beeinflusst
Der Darm ist ein sensibles System.  Die meisten von uns haben das schon am eigenen Leib erlebt. Er reagiert blitzschnell auf Unverträgliches, kann Probleme bereiten, wenn wir unter Stress stehen und spielt überhaupt manchmal gar nicht so mit, wie wir es uns wünschen. Vermutlich haben unsere “westliche Ernährungsweise” und die damit verbundenen Veränderungen des Darms viel weitreichender Folgen, als bisher vermutet wurde.
Aber was genau ist eine westliche Ernährung und weshalb wirkt sie sich so stark auf den Darm aus? Charakteristisch für diese Ernährungsweise sind ein hoher Anteil an Proteinen (Hauptsächlich aus fettem und stark verarbeiteten Fleisch), gesättigten Fettsäuren, raffiniertem Getreide (also Weißmehl), Zucker, Alkohol und Salz, während gleichzeitig wenig Früchte und Gemüse gegessen werden. Viel Fett - wenig Ballaststoffe.(1)
Die meisten dadurch entstehenden Probleme sind ausreichend bekannt, werden sie uns doch tagtäglich in Medien und Umfeld vorgebetet. Die Veränderung unserer Ernährung von einer ballaststoffreichen, die arm an gesättigten Fettsäuren war, zu einer ballaststoffarmen mit reichlich gesättigten Fettsäuren hat zu einem starken Anstieg von Übergewicht, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes geführt. 

Falsche Ernährung schadet auch den Darmbakterien - und uns damit doppelt
Unsere Ernährungsweise hat nicht nur einen direkten Einfluss auf uns. Die Bakterien in unserem Darm, unerlässlich für eine gesunde Verdauung und wichtige Helfer für unser Immunsystem, sind in ihrer Zusammensetzung und Aktivität von der zugeführten Nahrung abhängig. Mit der Änderung unserer Essgewohnheiten ändert sich auch ihre Anzahl und ihre Artenvielfalt. 
In den letzten Jahren beschäftigten sich einige Studien mit dieser Zusammensetzung. Man untersuchte die Darmflora von Völkern, die heute noch ein Leben als Jäger und Sammler führen, so wie einst unsere Vorfahren. Alle diese Völker, von drei verschiedenen Kontinenten, verfügen nicht nur über eine völlig andere Mikroflora im Darm als wir, sondern vor allem über eine viel größere Diversität. Unsere Ernährung scheint zu einer Art Massenaussterben von Bakterienarten im Darm zu führen.(2)
Inwieweit sich das auf unsere Gesundheit, unsere Versorgung mit essentiellen Nährstoffen wie Folsäure und unsere Prognosen für bestimmte Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht und Diabetes auswirkt, ist noch lange nicht erschöpfend erforscht. 

Die Auswirkungen des Ballaststoffmangels
Aber ein weiterer Faktor, der nur langsam Gegenstand neuerer Forschung geworden ist, wird durch die ungünstigen Lebensgewohnheiten beeinflusst. Seit jeher übernehmen Bakterien im Darm die Aufgabe für uns unverdauliche Bestandteile zu verdauen und damit für uns verwertbar zu machen. Die Rede ist von sogenannten Ballaststoffen, langkettigen Polysacchariden, also lange, teilweise vernetzte Ketten von Zuckermolekülen. Diese sind für uns nicht verwertbar, solange sie nicht durch Bakterien in kleinere Bestandteile aufgespalten wurden. Bei der Fermentation, also der Verdauung durch Gärung, produzieren die Bakterien unter anderem kurzkettige Fettsäuren, die essentiell für unsere Darmgesundheit sind. Nicht nur stellen sie die Hauptenergiequelle für Darmzellen, sie haben auch eine antientzündliche Wirkung.(1)
Das emsige Schaffen der Bakterien dient aber nicht nur unserem Profit. Die Polysaccharide sind eine wichtige Nährstoffquelle für die Darmbakterien selbst. Bleibt sie aus, wie es in unserer modernen Ernährung immer häufiger der Fall ist, können die Mikroben sich gegen uns wenden. Einige Bakterienstämme beginnen bei einer sehr ballaststoffarmen Diät sogar die Polysaccharide in unserer Darmschleimhaut zu fressen. Dies wiederum kann fatale Folgen für uns haben: Die Darmschleimhaut bietet schließlich einen wichtigen Schutz für die darunterliegenden Zellen. Ist sie zerfressen und löchrig, sind die Darmzellen einem potentiellen Angriff durch eindringende Krankheitserreger schutzlos ausgeliefert.(3)  

Wie helfe ich dem Darm wieder auf die Sprünge?
Der geringe Anteil an Ballaststoffen, die beispielsweise in Gemüse und Vollkornprodukten vorkommen, kann also weitreichende Folgen haben. Abgesehen von einer ausgewogenen Ernährung, kann man es den nützlichen Darmbakterien aber auch mit ihrem Lieblingsfutter im Darm wieder gemütlich machen. Verschiedene Ballaststoffe haben in Untersuchungen gezeigt, dass sie neben der Anregung der Darmtätigkeit, auch das Wachstum bestimmter Milchsäurebakterien fördern. Inulin, ein Ballaststoff, der aus einer langen Kette von Fructosemolekülen besteht, die mit einem Glucosemolekül endet, unterstützt beispielsweise das Wachstum von Bifidobakterien. Diese gehören zu den wichtigsten Darmbesiedlern.
Beliebt und bereits seit Jahrhunderten in der indischen Medizin bekannt sind auch die Schalen der Flohsamen (lat.: Plantago psyllium). Sie enthalten den Ballaststoff Psyllium, der aus verschiedenen Bausteinen wie unter anderem den Einfachzuckern Arabinose, Galactose und Rhamnose besteht. Neben einer Erhöhung der Ballaststoffzufuhr sorgen die Schalen der Flohsamen für eine Anregung der Darmtätigkeit, fördern die Verdauung und sind in der Lage überschüssiges Wasser im Darm zu binden und Beschwerden wie Durchfall zu lindern.(4)

Fest steht: der immer weiter abnehmende Anteil an Ballaststoffen in unserer Nahrung führt zu einer Verarmung der Darmflora, was eine schlechtere Versorgung mit Nährstoffen, so wie zahlreiche Verdauungsstörungen zur Folge haben kann. Schließlich können sich einige Bakterien sogar gegen uns wenden, indem sie die Darmschleimhaut zerfressen und uns damit empfänglicher für Krankheitserreger machen.
Zum Glück haben wir die Möglichkeit dem mit einer verbesserten Ernährungsweise entgegenzuwirken oder den Ballaststoffanteil mit zusätzlich zugeführten Ballaststoffen aufzubessern. Denn obwohl der Darm schnell aus dem Gleichgewicht gerät, ist es möglich ihn wieder in die Balance zu bringen und damit die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu stärken.
 
Quellen
  1. The Impact of Western Diet and Nutrients on the Microbiota and Immune Response at Mucosal Interfaces: Donjete Statovci, Mònica Aguilera, John MacSharry, and Silvia Melgar
  2. https://www.52-insights.com/justin-and-erica-sonnenburg-the-gut-connection/
  3. A dietary fiber-deprived gut microbiota degrades the colonic mucus barrier and enhances pathogen susceptibility: Mahesh S. Desai, Anna M. Seekatz, Nicole M. Koropatkin, Nobuhiko Kamada, Christina A. Hickey, Mathis Wolter, Nicholas A. Pudlo, Sho Kitamoto, Nicolas Terrapon, Arnaud Muller, Vincent B. Young, Bernard Henrissat, Paul Wilmes, Thaddeus S. Stappenbeck, Gabriel Núñez, and Eric C. Martens
  4. Fibrous drugs for curing various common health problems: Sanjay L. Dakhara, Chetan C. Anajwala, and Vidula S. Selote

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Sarah Ammerahl
29. September 2022